Nachtrag:
22.04.2006 | Mittlerweile
haben wir zum Thema einige Nachfragen erhalten. Die
vieldiskutierte Gleichung: Meinungsbildend = presserechtlich und
presserechtlich = Vorabkontrolle verunsichert und irritiert
viele Forenbetreiber. Hier
weiterlesen! ......................................................................
jusdi101 14.04.2006 Das
"berüchtigte" Urteil, das zum Nachteil von Heise in Hamburg erging, steht mittlerweile im Internet.
Mittlerweile stehen auch die ersten Kommentare und Beurteilungen
im Netz. Wer
nicht weiss worum es geht, kann hier noch einmal nachlesen - Ruhiger
geworden ist es deshalb innerhalb der Gemeinde der
Forenbetreiber nicht. Das
mag zum einen daran liegen, dass einige interessante Kommentare,
leider so abgefasst sind, dass sie von juristischen Laien wohl
eher nicht verstanden werden. Zum
anderen mag es daran liegen, dass verschiedene Kommentare uns so
erscheinen, als wären sie vornehmlich geschrieben um Angst zu
erzeugen. Es mag Zufall
sein, dass diese Kommentare teilweise von Rechtsanwälten
stammen, die in diversen Foren auch unterwegs sind, um
"Kundschaft" zu rekrutieren. ........ Genaugenommen
ist die nicht mal rechtskräftige Entscheidung nichts als eine
Einzelfallentscheidung, die sich auf - unter Berücksichtigung
der "besonderen" Umstände - auf wenige
Entscheidungsgrundlagen reduzieren lässt. Gehen
wir hier zunächst einmal auf die besonderen Umstände dieses
Einzelfalls ein, die auch von dem Gericht mit in die Betrachtung
einbezogen wurden. Wir
haben zunächst einen Verlag, der ein Forum betreibt, dessen
"Teilnahmebedingungen" und Moderation recht lasch zu
sein scheinen. Böse Zungen behaupten, dass sich in diesem Forum
besonders viele "Trolls" herumtreiben und es deswegen
schon des Öfteren zu verbalen "Ausfällen" gekommen
sein soll. Dann haben wir
einen Unternehmer, der mit recht zweifelhaften Methoden an das
Geld anderer zu kommen versucht und sich die wenig schmeichelnde
Bezeichnung "Dialerkönig" anscheinend redlich
verdient hat. Mario D. ist
unter Insidern im Internet kein Unbekannter, ist selbst
Teilnehmer vieler Foren und fällt auch schon mal durch
Unsachlichkeit und dadurch auf, dass er andere Forenteilnehmer
gerne auch als Trolls beschimpft. Mario
D. sorgt allzu oft - direkt oder indirekt - für kontroverse
Diskussionen und Dispute. Wir
wissen nicht, ob das in der Vergangenheit auch im Heiseforum so
war, gehen aber einfach mal davon aus, dass es sehr
wahrscheinlich ist. Im
Urteil findet sich dazu nichts, dass Gericht geht jedoch
offensichtlich davon aus, dass dies auch bei Heise bekannt ist. Es
ist auch nicht zu erkennen, dass Heise dem widersprochen
hätte. M. D. -
der Vielseitige - grabbt auch noch frisch freigewordene Domains
und damit das funktioniert, arbeitet er (vereinfacht erklärt)
mit den Rechnern von Leuten, die sich eine seiner Anwendungen
auf den Rechner herunterladen. Nicht immer sollen diese Leute
gewusst haben, was sie sich da wirklich auf den Rechner zogen. Darüber
berichtete Heise lobenswerterweise und gab den Lesern des
Berichts Gelegenheit sich zu äussern. Heise
eröffnete zu dem Thema eine Diskussion, bei der man dort hätte
wissen müssen, dass es zu Polarisierungen und heftigen
Meinungsäusserungen (also rechtlich Bedenklichem) kommen
könnte. So die Meinung des
Gerichts und hier meinem wir, dass dieser gerichtliche
Standpunkt durchaus vertretbar ist. Nun
meint das Gericht weiter: Wenn also jemand in seinem eigenen
Forum ein Diskussion eröffnet, von der er weiss oder zumindest
damit rechnen muss, dass diese ausarten könnte, er für diese
Diskussion eine besondere Sorgfaltspflicht hat. Auch
das ist nach unserem Dafürhalten eine nachvollziehbare
Argumentation. Somit wären
wir an dem Knackpunkt der Hamburger Entscheidung angelangt: Wie
hätte eine besondere Sorgfaltspflicht in dieser Konstellation
auszusehen? Kann der
Betreiber des Forums sich darauf berufen nicht zu wissen, dass
da gerade eine Diskussion am Laufen ist die ausarten könnte? Unsere
Meinung: Nein. Schliesslich hat er diese selbst initiiert! Etwas
völlig anderes wäre es gewesen, wenn diese Diskussion von
irgendeinem Mitglied des Forums zu irgendeinem Zeitpunkt
eröffnet worden wäre. Nächste
Frage: Wie weit hätte der Betreiber des Forum vorausdenken
müssen? Hätte er z. B. damit rechnen müssen, dass es in der
Diskussion zu rechtwidrigen Aufrufen kommt, deren Befolgung in
irreparabler Weise in den Geschäftsbetrieb des Mario D.
eingreifen? Unsere Meinung:
Nein. Es können nicht alle exotischen Eventualitäten
berücksichtigt werden. Wäre
es im Heiseforum schon einmal zu etwas Derartigem gekommen,
könnte man die von uns verneinte Frage dann auch durchaus mit
Ja beantworten. Das wissen wir jedoch nicht und das Gericht
weiss es offensichtlich auch nicht, also bleibt es beim Nein. Eine
Notwendigkeit - auch in dieser besonderen Konstellation des
Einzelfalls - Beiträge vorab zu prüfen und diese dann
freizugeben sehen wir nicht. Deshalb ist die Hamburger
Entscheidung nach unserem Dafürhalten eine völlig falsche
Entscheidung. .......... Wir
können uns nur an der Urteilsbegründung orientieren. Die
Argumentationen des Vorverfahrens entziehen sich unserer
Beurteilung. Was wir z. B.
nicht wissen ist: Wurde die
Diskussion bei Heise von Heise überhaupt beobachtet? Und wenn
ja, in welchen Zeitabständen? Wieviel
Zeit verging zwischen Einstellung der strittigen Beiträge und
Kenntnisnahme beim Heiseverlag? Wieviel
Zeit verging zwischen Kenntnisnahme durch den Heiseverlag und
der Entfernung der strittigen Beiträge? Bejaht
man in dieser Konstellation eine erhöhte Sorgfaltspflicht und
verneint es diese Sorgfaltspflicht bis zum vorherigen Prüfen
der Beiträge auszudehnen, stellt sich als nächstes die Frage,
wie diese erhöhte Sorgfaltspflicht auszusehen hätte. Mit
"nach den gegebenen Umständen" sind wir ja schon
einmal ein Stück weiter, aber immer noch nicht dort, wo wir
hinwollen. Wäre das
Gericht z. B. von einer extremsten Sorgfaltspflicht des
Forenbetreibers ausgegangen, die z. B. eine Prüfungspflicht
jeweils innerhalb weniger Minuten bejaht hätte, wären wir
immer noch bei der "nachträglichen" Prüfung und die
Vorabprüfung wäre vom Tisch. Beispiel:
Uhrzeit der Einstellung eines kritischen Beitrags 14 Uhr 1,
Prüfung des Beitrags: 14 Uhr 3, Entfernen des Beitrags 14 Uhr
4. Erst eine Bejahung und
Begründung, dass auch eine derartig kurze Prüffrist noch immer
zu lang für "eine sich im Verzug befindliche Gefahr"
ist, hätte ein Ausweichen auf das vorherige Prüfen von
Beiträgen möglicherweise als adäquates Mittel erscheinen
lassen können. Dabei wäre
auch zu berücksichtigen gewesen, ob eine Handvoll
"Dauerdownloads" tatsächlich geeignet gewesen wären,
den Server des Mario D. zusammenbrechen zu lassen. Dies
erscheint uns eher unwahrscheinlich. Dazu
schweigt sich das Urteil des LG Hamburg jedoch aus. Die Frage lässt
sich an dieser Stelle also nicht beantworten. Nach
unserem Dafürhalten hätte das Verfahren im Hamburg aber genau
an dieser Fragestellung - der Auswahl und Bestimmung der
adäquaten Mittel - primär aufgehängt werden müssen. .............. Wenn
Sie die sonstigen Beiträge im Internet zu dieser Entscheidung
gelesen haben wird Ihnen sicherlich aufgefallen sein, dass wir
auf die dortigen Ausführungen und Argumente nicht eingehen. Der
Grund ist einfach: Wir halten die ganzen Überlegungen, ob diese
Entscheidung Auswirkungen auf andere Sparten haben könnten,
nachdem wir die Entscheidung nun kennen, für sekundär. Auch
für sekundär halten wir Überlegungen dazu, ob es noch
zeitgemäss ist, sich auf alte presserechtliche Urteile zu
berufen oder ob die Rolex-Entscheidung des BGH nun so
übertragbar ist, ob TDG oder BGB in Ansatz zu bringen sind. Auch
die Fragestellung, ob die Diskussion aus einem anderen
Blickwinkel zu betrachten ist, weil ihr ein Artikel des
"Presseorgans" Heise vorausging ist wohl eher
rethorischer Natur. Logischerweise
ist bei Printmedien vorab eine erhöhte Sorgfalt angesagt. Ist
eine Zeitung oder Zeitschrift erst mal ausgeliefert ist eine
Schadensbegrenzung nicht mehr möglich. Ein gedruckter Beitrag
kann nicht eben mal per Mausklick aus dem gedruckten und im
Umlauf befindlichen Medium entfernt werden. Das
Hamburger Urteil ist in grossen Zügen recht oberflächlich und versäumt es in die Tiefe zu gehen Gerade
weil die Urteilsbegründung so ist wie sie ist, wird die
Entscheidung keine "Bäume ausreissen" Das
Wesentliche des Urteils (wie hier dargestellt) hätte das Gericht in wenigen Sätzen
ausdrücken können. Der Rest ist Füllmaterial. Es
muss hier noch einmal gesagt werden, bei der Entscheidung
handelt es sich um eine Entscheidung im Einzelfall in einer ganz
speziellen Konstellation, die so sicher in den Foren die
absolute Ausnahme sein dürfte. Das
aus dieser Entscheidung so etwas wie ein "Dogma"
entstehen könnte, das zukünftig generell die Haftungsfrage in
Foren regelt, halten wir für nahezu unmöglich. Das
gilt auch für den Fall, dass die Entscheidung (wofür vieles
spricht) irgendwann so bestätigt und rechtskräftig werden
könnte. Anmerkung:
Diesseits auch nicht ganz nachvollziehbar ist, warum man bei
Heise überhaupt gegen diese Einstweilige Verfügung so vorging
und nicht gleich versuchte, die Fragestellung in einem
(umfangreicher gestaltbaren) Hauptsacheverfahren klären zu
lassen. Ein durch den Weiterbestand der einstweiligen Verfügung
entstehender Schaden ist auf den ersten Blick nicht erkennbar. ...... Oder
anders - wie man es in manchen Gegenden Deutschlands ausdrückt
und weil gerade Ostern vor der Tür steht: Warum
sich um ungelegte Eier Gedanken machen? ....... Anmerkung:
Das hier Geschriebene wurde nicht für Juristen, sondern zum
Verständnis für juristische Laien eingestellt und ist deshalb
naturgemäss etwas "reduziert vereinfachend". .......................................................................... Übersicht - Haftung
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Beitrag wurde mit Unterstützung von Frau Rechtsanwältin Andrea
Münzebrock, Saarbrücken erstellt. |